Archiv für September 2008

Ich weiss wo ich war

Mittwoch, September 10th, 2008

Zum siebten Mal jährt sich morgen ein Ereignis, das die letzten sieben Jahre weltpolitisch geprägt hat und wahrscheinlich auch die nächsten zehn Jahre prägen wird – wenn zwischenzeitlich nichts schlimmeres passiert: das Attentat auf das World Trade Center. Ich werde allerdings keine Reflexionen darüber anstellen, was die sozialen, ökonomischen oder politischen Auswirkungen waren, ob die USA eine einmalige Chance auf Frieden verspielt haben oder ob, wie ein Großteil der arabischen Welt zu glauben scheint, das Attentat in Wahrheit vom Mossad verübt wurde. Mir geht es um einen anderen, weit persönlicheren Aspekt. Der 11. September 2001 war einer der Ich-weiss-wo-ich-war-Tage; neben dem 09. November 1989 einer von zweien für meine Generation.

Wo war ich an diesem Tag, der die Welt verändern sollte? Ich war in der Uni und habe mehr oder weniger motiviert (wahrscheinlich eher weniger als mehr) für mein Examen gelernt. Da der Sohn meines Patenonkels an diesem Tag Geburtstag hat, habe ich das Seminar zeitig verlassen und bin in seeliger Ahnungslosigkeit zum Kaffeetrinken erschienen, in der berechtigten Erwartung, dass das schwerwiegendste was mir an diesem tag noch zustoßen würde, eine Sahnetorte sei.

Kaum angekommen, wurde ich mit der Nachricht überfallen, ein Flugzeug sei in das World Trade Center geflogen. Bis heute sehe ich das Bild vor mir, das damals vor meinem geistigen Auge aufstieg: eine kleine Sportmaschine zerschellt an einem Hochhaus. Das war dann wohl mindestens der zweite Irrtum an diesem Tag. Innerhalb von Minuten wurde aus der Sportmaschine ein Passagierflugzeug und die Nachricht vom Einsturz des ersten Turms überraschte mich beim ersten Stück Kuchen. Langsam von einer Ahnung der Tragweite der Ereignisse erfasst sprintete ich zum nächsten Fernseher und sah wieder und wieder die Bilder vom Einsturz des Turms.

Keine drei Minuten danach saß ich vor dem Fernseher meiner Eltern – dem nächsterreichbaren vor dem ich meine Ruhe hatte – und sah mir auf mindestens zwei Kanälen die Kommentare und Analysen an, während ich versuchte meine besten Freunde zu erreichen und ihnen das Unglaubliche zu berichten. Ich habe beide erreicht und zu meiner nicht geringen Enttäuschung waren beide bereits informiert. Sicher eine Stunde lang habe ich mit meinem besten Freund und meiner besten Freundin die Lage analysiert – wenn auch auf bedenklicher Datenbasis.

Von Anfang an war ich mir ganz sicher, dass dieses Attentat auf Ussama Bin Laden zurückgehen musste. Im Nachhinein bin ich darüber reichlich verwundert, denn ich kann mich nicht erinnern vor dem 11.09. jemals von Bin Laden oder Al Qaida gehört zu haben. So viel zum Einfluss der Medien. In anderer Hinsicht war ich mir ebenfalls sicher und leider hat die seither vergangene Zeit mich nicht eines besseren belehrt: dass die Amerikaner auf diesen Angriff mit Krieg reagieren würden. Trotz der zahlreichen Zweifel (oder Hoffnungen), die in den folgenden Tagen zu hören waren, stand für mich fest, dass die USA einen Schuldigen finden würden und dass es allein mit einer handvoll Terroristen nicht getan sein konnte. Irgendein Land hatte Al Qaida unterstützt und dieses Land befand sich in diesem Moment im Krieg mit USA – es wusste nur noch nichts davon.

Und so wird man Zeuge von Ereignissen, die eine erstaunliche Tragweite haben. Dass das Attentat nicht nur zu einem Krieg gegen irgendein Land (es sollte bekanntlich Afghanistan werden) sondern zum War on Terror führen würde, habe ich nicht vorausgesehen. Aber vielleicht haben die Menschen im Juli 1914 auch nicht mit dem Ausbruch eines Weltkrieges gerechnet.

Was waren Eure ich-weiss-wo-ich-war-Tage? Und wie habt Ihr 9/11 empfunden?