Archiv für Februar 2009

(Un-)Karnevalistische Gedanken

Dienstag, Februar 24th, 2009

Der Karneval nähert sich seinem Ende, Aschermittwoch steht vor der Tür und bei all dem Trubel, den ich an mir habe vorbeiziehen lassen, musste ich regelmäßig an einen anderen Karneval denken. Kein hunderte von Jahren zurückliegender Karneval mit dutzenden von Toten - auch wenn das vielleicht interessanter wäre - sondern ein gerade einmal 18 Jahre zurückliegender. Das besondere daran ist, dass er faktisch zumindest in Deutschland nicht stattfand.

1991 entschlossen sich die Narren in Deutschland unter dem Eindruck des ersten Krieges mit europäischer Beteiligung seit dem Zusammenbruch des Ostblocks, nicht Karneval zu feiern. Man wollte sich nicht in Frohsinn ergehen, an Albernheiten ergötzen, während im Irak Menschen starben. Diese edel anmutende Geisteshaltung in Ehren, aber es drängt sich doch die Frage auf, ob 2009 zur Karnevalszeit keine Kriege unter europäischer Beteiligung mehr geführt werden. Und ob den Karnevalisten die toten Amerikander des Jahres 1991 mehr wert sind, als die toten Amerikaner des Jahres 2009.

So böswillig muss man aber nicht über seine Zeitgenossen denken. Der Unterschied zwischen dem Karneval 1991 und dem karneval 2009 dürfte uns weniger über die Geisteshaltung der heutigen Zeitgenossen verraten als vielmehr ein bezeichnendes Licht auf die Stimmung der beginnenden 90er Jahre werfen. Eine Zeit, die geprägt war von einer heute kaum verständlichen Zukunftshoffnung. Nach dem Ende des vierziegjährigen Kalten Krieges stand es damals für die Menschen zumindest in Deutschland, wahrscheinlich in ganz Europa, fest, dass auf einen kalten Krieg nur noch Friede folgen könnte. Der Konflikt, der die letzten Jahrzehnte geprägt hatte war vorbei - wo sollten neue Konflikte entstehen? Mitten hinein in diesen Friedenstaumel platzte der Angriff der Alliierten auf den Irak und brachte die Harmonieblase zum Platzen. Wir mussten uns plötzlich damit auseinandersetzen, dass wohl doch nicht alles übel auf dieser Welt ausschließlich aus dem ideologischen Gegensatz von Ost und West geboren wurde. Der Irakkrieg wirkte ernüchternder als so manch ein Aschermittwoch und brachte ließ eine ganze generation jäh aus ihren Friedensträumen erwachen.

Karnevalistisches Leid

Donnerstag, Februar 19th, 2009

Es ist wieder Weiberfastnacht (auch Fettdonnerstag oder Schmutzge Dunnschdig genannt). Er markiert den Begin der Hochphase des Karnevals, des alljährlichen närrischen Treibens auf Straßen und in Festhallen, die alljährlich Dauerbeschallung mit Karnevalsmusik und Büttenreden. Und wie jedes Jahr stelle ich mir eine Frage - Warum?

Warum gibt es so etwas wie Karneval heute überhaupt? Warum trinken Menschen 5 Tage am Stück? Warum setzen sich Menschen Pappnasen und Narrenkappen auf und lachen über schlechte Witze? Ein kurzer Blick in die Geschichte mag helfen.

Der Karneval wie wir ihn heute kennen ist eine Synthese aus drei unterschiedlichen Inhalten, die sich mal stärker mal schwächer in jeder region wiederfinden. Zum einen ist da die karnevalistisch begründete kurzzeitige Auflösung sozialer Grenzen, die überwindung von Klassenschranken und Ungleichheit und damit Verbunden die Außer-Kraft-Setzung oder zumindest Persiflage obrigkeitlicher Macht. Dieses Motiv findet sich bereits in Babylon, wo zu einem bestimmten Festtag Herren und Diener zumindest vorgeblich gleichgestellt waren, später dann in antiken Rom, wo zu den Saturnalien die Herren den Sklaven dienen sollten (was auch Nero in Grenzen berücksichtigt haben soll), und schließlich sogar im christlichen Mittelalter wo sogar gotteslästerliches Verhalten während der Karnevalstage nicht verfolgt wurde.

Ein weiteres Motiv ist das der Frühlingsfeiern oder der Winteraustreibung. Die Wurzeln des Karnevals in germanischem Treiben zu sehen ist zwar überholt und vornehmlich der germanophilie der Nationalsozialisten geschuldet, nichtsdestotrotz wird dieses Motiv vor allem im süddeutschen Raum durchaus aufgegriffen.

Ein drittes, rein christliches Motiv ist der Beginn der Fastenzeit, die mit wilden Feiern - um nicht zu sagen Exzessen - eingeläutet wird. Hier mag auch hineinspielen, dass vor der 40 tägigen Fastenzeit die Vorratskammern von verderblichen Lebensmitteln bereinigt werden mussten.

Im aktuellen Karnevalstreiben scheint mir das erste Motiv das bestimmende zu sein. Der Beginn der Fastenzeit spielt gesamtgesellschaftlich betrachtet keine Rolle mehr und niemand behauptet ernsthaft, den Winter austreiben zu wollen. Die Auflösung gesellschaftlicher Ordnung, die Narrenfreiheit, scheinen in Büttenreden, in karnevalistischen Umzügen und in Alkoholexzessen aber durchaus noch lebendig. Aber sie scheinen eben nur, denn der Karneval markiert eben keine Ausnahmesituation mehr. In Zeiten der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit kann man zu jeder genehmen Zeit auf die Obrigkeit schimpfen und die Politik persiflieren. Karikaturen gehören zur Grundausstattung der Tageszeitungen und politische Komödianten zum Standardrepertoire der Bühnen. Alkoholexzesse finden jedes Wochenende statt, auf Mallorca sogar jeden Tag und die letzten noch bestehenden gesellschaftlichen Unterschiede löst auch der Karneval nicht auf. Das schon allein deshalb nicht, weil die Wahrnehmung karnevalistischer ämter allzu oft hohen Geldeinsatz erfordert und es immer noch Karnevalsvereine gibt, die keine Frauen in ihren Reihen dulden.

So bleibt als einziger Grund, Karneval zu feiern die Traditionspflege. Allerdings ist der Kern des Karnevals wie wir gesehen haben längst verloren gegangen. Aus dem Karneval ist ein klein- und spießbürgerliches Pseudovergnügen geworden, das gerade wegen der ihm innewohnenden zwanghaften Fröhlichkeit selbst jedem Begräbnis an Schalkhaftigkeit nachsteht. Krampfhaft wird so eine leere Hülle gepflegt, die mit Inhalt füllen zu wollen unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen vergeblich wäre.

Der Karneval ist tot und er wird jedes Jahr aufs neue begraben. Und so ist die traurige Antwort auf die eingangs gestellte Frage, dass es keinen Grund gibt, Karneval zu feiern. Und so möchte ich wie jedes Jahr meinen Mitmenschen zurufen: Hört auf euch vor euch selbst zu blamieren - schafft den Karneval ab!

Wirtschaftskrise und Demokratie

Dienstag, Februar 17th, 2009

Es kriselt und kriselt und kriselt. Immobilienmarkt, Finanzmarkt, Naher Osten, Katholische Kirche, Gesamtwirtschaft… Aber es gibt auch gute Nachrichten: Zumindest für die Finanz- und Wirtschaftskrise stehen die Gründe fest. Ich habe am Wochenende das Video eines Vortrags von Sarah Wagenknecht entdeckt und sie hat mir die Augen geöffnet. Sie wartet nämlich mit Erkenntnissen wie folgender auf:

Und immernoch gilt die Weisheit, dass Geld nicht einfach verschwindet. Das Geld das jetzt fehlt hat sich vorher jemand in die Tasche gesteckt.

Dass die Frau von Wirtschaft nichts verstanden hat, sehe ich nichteinmal als Problem an. Dass sie von Wirtschaft nichts versteht und dennoch Politik betreibt unterscheidet sie nichteinmal vom Gros ihrer Kollegen. Aber etwas anderes bereitet mir Sorgen: Dass hier für unheimlich komplexe Vorgänge simple Erklärungen angeboten werden. Umberto Eco sagte einmal, es gebe zu jedem komplexen Problem eine einfache Lösung - und das sei die falsche. Leider, so fürchte ich, wird die Zukunft eher zeigen, dass für die Wirtschaftskrise nur einfache Erklärungen geboten werden.

Die Folgen sind alles andere als unabsehbar. In nicht allzu ferner Zukunft wird was als Immobilienkrise begann als allgemeine Wirtschaftskrise verbunden mit Arbeitslosigkeit beim Wahlvolk ankommen. Und wenn eben nicht mehr nur Investmentbanker (die es ja per se nicht anders verdienen), sondern auch Schlosser, Schreiner, Pfleger und andere ihre Arbeitsplätze verlieren, werden die Menschen im besten Fall eine Erklärung, sicher aber auch Schuldige verlangen. Und dann schlägt die Stunde der extremen Parteien. Während auf der linken Seite in Windeseile der Bogen gespannt werden wird von den Banken über den Kapitalismus zur Demokratie als Schuldigen, wird auf der rechten Seite der Bogen eben von den Amerikanern hin zum politischen Establishment und der Demokratie gespannt. Und im Extremfall treffen sich beide Seiten nicht nur bei der Ablehnung der Demokratie, sondern bereits beim Kampf gegen das “internationale Finanzjudentum”. Die nächsten Wahlen versprechen spannend zu werden.

Wenn ich Vorträge wie den von Sarah Wagenknecht höre, denke ich nicht mehr über eine Wirtschaftskrise nach, dann mache ich mir Sorgen um die Demokratie.