Archiv für August 2007

Versuch über die Aufarbeitung der DDR

Dienstag, August 28th, 2007

In letzter Zeit kochen zunehmend die Diskussionen über das rechte Verhältnis zur DDR hoch, geschürt durch den letzthin verkündeten “Sensationsfund” eines Schießbefehls für die innerdeutsche Grenze. Bei diesen Diskussionen prallen zwei Parteien mit all ihren Untergruppen aufeinander: auf der einen Seite stehen die “Aufarbeiter”, die die Sorge treibt, der verbrecherische Charakter der zweiten deutschen Diktatur könnte in der Öffentlichkeit nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen werden; auf der anderen Seite stehen die Verteidiger der DDR, die entweder die DDR und ihre Organe diffamiert sehen, oder nicht müde werden zu betonen, die DDR sei so schlimm nun auch wieder nicht gewesen. Unterstützt wird letztere Fraktion durch die vielen Lieferanten von DDR-Devotionalien und Ostalgie-Produkten in Handel und Medien. Es handelt sich dabei nicht nur um NVA-Uniformteile oder FDJ-Hemden, sondern vor allem um Fernsehproduktionen, die den Alltag in der DDR veranschaulichen (oder verharmlosen?). In Sendungen wie “Urlaub im Osten” spielt erwartungsgemäß die Stasi keine Rolle, aber auch die Serie “Damals in der DDR” kann mit einem erstaunlichen Maß an Harmlosigkeit aufwarten. Hinzu tritt die geradezu schamlose Rechtfertigung von Stasi und Mauer in Vereinen ehemaliger Funktionäre und Zeitungen wie der “Jungen Welt”. Wie kommt es aber, dass ein Staat, der seine eigenen Bürger einmauern musste, in der Öffentlichkeit zunehmend als Objekt nostalgischer Erinnerungen wahrgenommen wird?

Die Kritiker der DDR-Aufarbeitung bemängeln, die zweite deutsche Diktatur würde nicht im gleichen Maß aufgearbeitet und verurteilt, wie ihre nationalsozialistische Vorgängerin. Während die Verurteilung des 3. Reichs zum Meinungskanon gehöre und eine Verharmlosung nationalsozialistischen Unrechts sich nur noch bei politisch wie intellektuell irrelevanten Randgruppen finde, werde die DDR zunehmend nicht als Diktatur, sondern als Hort der sozialen Sicherheit dargestellt. Dabei muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass eine solche Sichtweise ein wenig naiv anmutet. Die intensive Auseinandersetzung mit dem 3. Reich begann in Deutschland erst mit der 68er Bewegung und wie viele der Verdrängungsmechanismen und Unschuldsmythen noch lebendig sind demonstrierten die Reaktionen auf die Wehrmachtsausstellung, die die Lieblingslegende des Adenauer-Deutschland, die Verbrecher seien nur in der SS gewesen, endgültig ins Reich der Märchen verbannte. Andererseits wäre es 18 Jahre nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus niemandem eingefallen, Fernsehsendungen mit Titeln wie “Ferien unterm Führer” zu produzieren und von KdF-Reisen zu schwärmen. Es gibt also doch einen Unterschied in der Beschäftigung mit den deutschen Diktaturen. Nach dem Ende des “tausendjährigen” Reiches war das System völlig diskreditiert. Der Holocaust, mehr aber wahrscheinlich noch der verlorene Krieg und das Leid der (nicht-jüdischen) deutschen Zivilbevölkerung unter den Bomben der Alliierten hatten alle Sympathien mit dem Nationalsozialismus weitgehend ausgemerzt und den Boden bereitet für eine neue deutsche Demokratie.

Ganz anders dagegen das Ende der DDR. Die zweite deutsche Diktatur wurde nicht in einem selbst entfesselten Krieg in den Abgrund gerissen, sondern verlor den Kampf zweier Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. Die Wende wurde möglich dank der ökonomischen Unfähigkeit der DDR und manch einem DDR-Bürger mag es vorgekommen sein wie eine feindliche Übernahme. Das erklärt, warum die DDR auf deutlich mehr Sympathien stößt, als es das 3. Reich nach 1945 jemals tat. Hinzu kommt aber ein weiteres. Viele Kritiker äußern ihr Unverständnis darüber, dass die DDR nicht als die Diktatur, als das verbrecherische Regime wahrgenommen wird, das sie zweifelsohne war. Sie übersehen dabei aber, wer die Ostalgie vorantreibt.

Die Protagonisten der DDR-Verharmlosung lassen sich in zwei Gruppen aufteilen. Zum einen sind da die ehemaligen Funktionäre von Partei, MfS, NVA und anderen Einrichtungen. Es sind die Personen, die die DDR zu dem gemacht haben, was sie war und von ihnen ist kaum Kritik zu erwarten. Zum anderen gibt es aber die deutlich größere Gruppe derjenigen, die sich in der DDR eingerichtet haben. Sie kennen die DDR deshalb nicht als Gefängnisstaat, weil sie sie schlicht so nicht erlebt haben oder erleben wollten. Die DDR hat wie wohl jede Diktatur ihren Bürgern die Möglichkeit gegeben, weitgehend unbehelligt zu leben. Wenn man den Mund geschlossen und den Kopf unten hielt, konnte man sich seiner Plattenbauwohnung und seines Trabant erfreuen, ohne allzu viele Gedanken an die Stasi verschwenden zu müssen. Diese Menschen, die sich heute an der weichgespülten medialen Darstellung der DDR delektieren sind die gleichen Menschen (und ihre Kinder), die den Grenztruppen verdächtige Aktivitäten meldeten und so manchen Fluchtversuch vereitelten, oder die freiwillig als Zuträger für die Stasi arbeiteten, oder die auch als kleine Lichter in der Partei und ihren Unterorganisationen für “Frieden und Sozialismus” brannten. Sie müssen nicht überzeugt gewesen sein, aber sie hatten teil an diesem System, weil es nun mal das herrschende System war. Man könnte sie als Mitläufer bezeichnen, aber das trifft den Kern nicht. Die aktuelle Wertschätzung, die die DDR erfährt, zeigt, dass es für viele Menschen nicht nur darum ging mit zulaufen. Sie liefen nicht nebenher, sie trugen die DDR. Sie waren die Menschen auf denen die DDR ruhte. Und es ist das große Missverständnis vieler Kritiker, zu glauben die DDR hätte alle ihre Bürger unterdrückt und ihr verbrecherischer Charakter sei deshalb für jedermann offensichtlich. Auch wenn die Stasi immer auf der Hut war, so wurde die DDR doch von einer Mehrheit gestützt. Diese Menschen fühlten sich in und mit der DDR wohl. Zwar wurde schließlich das System vom Volk gestürzt, doch nahmen auch an den großen Montagsdemonstrationen in Leipzig nur 120′000 Menschen teil. Nimmt man alle Demonstrationen zusammen, so bleiben dennoch grob geschätzt 17′000′000 Staatsbürger übrig, die nicht gegen die Regierung protestierten. Das waren nicht alles Funktionäre oder Stasi-Gefangene.

Das alles ändert jedoch nichts daran, dass die DDR ein Staat war, in dem es sich zwar gemütlich leben ließ, der aber dennoch seine Bürger einsperren musste, damit sie der Versuchung der Freiheit nicht erlagen. Warum also sprechen die Bürger der ehemaligen DDR nicht laut aus, dass sie es sich in einer Diktatur gemütlich gemacht haben? Aus dem gleichen Grund, aus dem man in der BRD nach dem Krieg so bereitwillig die Wehrmacht rein gewaschen hat: aus Scham. Es ist keine Schande zu verlieren, egal ob einen Krieg oder den Wettbewerb zweier Gesellschaftssysteme. Aber man will am Ende nicht sagen müssen, man sei ein Henkersknecht gewesen. Solange nur die SS Verbrechen begangen hat, war es kein Problem, in der Wehrmacht gekämpft zu haben und man musste sich nicht fragen, warum man keinen Widerstand geleistet hat und nicht wenigstens desertiert ist; solange die DDR ein sozial gerechtes System und Mauer und Stasi nicht nur harmlos und gerechtfertigt, muss man sich nicht fragen, warum man zugesehen hat, wie Menschen an der Mauer starben oder in Stasi-Gefängnissen verschwanden. Als Westdeutscher kann man sich darauf ausruhen, dass man dem richtigen System gedient hat und das Gute am Ende den Sieg davontrug. Hin und wieder sieht man noch einen Film über die DDR und amüsiert sich darüber, dass diese armen Menschen tatsächlich Ende der 80er Jahre noch Trabant gefahren haben. Als Ostdeutscher dagegen war dieser Trabant, der im Westen so belächelt wird, Teil der Identität als Bürger der DDR. Und diese Identität soll bitte nicht die eines Dieners des Bösen gewesen sein.

Vor 50 Jahren: Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet

Sonntag, August 19th, 2007

Am 24.05.1957 erteilte der BUndesrat seine Zustimmung zum Gleichberechtigungsgesetz, das der Bundestag am 03.05.1957 verabschiedet hatte. Damit fand eine Diskussion ihr vorläufiges Ende, die fast zehn Jahre zuvor im Parlamentarischen Rat begonnen hatte.

Als 1948 der Parlamentarische Rat zusammentrat, um ein Grundgesetz für das neue Deutschland auszuarbeiten waren unter den 65 Abgeordneten nur vier Frauen. Das erklärt nicht nur die zeitgenössische Rede von den “Vätern des Grundgesetzes”, sondern auch die heftigen Diskussionen, die wegen der Gleichberechtigungsfrage entbrannten.

Grundsätzliche Einigkeit bestand nur insoweit, dass die Gleichberechtigung grundsätzlich und irgendwie in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte. Umstritten war jedoch ihr Inhalt, zu dem es drei ernsthaft dikutierte Alternativen gab. Zum Einen stand der Vorschlag im Raum, die Regelung der Weimarer Republik wieder aufzugreifen, die Männern und Frauen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten zugestanden hatte. Ein weiterer Vorschlag ging auf ein Rechtsgutachten zurück und sah eine Regelung vor, nach der Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln sei. Der dritte Vorschlag schließlich stammte von Elisabeth Selbert und sah die Formulierung vor, die sich heute im Grundgesetz findet: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Nur am Rande sei erwähnt, dass der bayerische Landtag den Vorschlag unterbreitete, die Gleichberechtigung unter einfachen Gesetzesvorbehalt zu stellen. Damit wäre jede legislative Ungleichbehandlung zulässig gewesen.

In den Diskussionen im Hauptausschuss und im Ausschuss für Grundsatzfragen, die beide mit der Gleichberechtigung befasst waren, ging es vor allem um die Frage der Lohngleichheit. Obwohl die Abgeordneten von SPD und KPD auf eine Kodifizierung der geschlechtsunabhängigen Lohngleichheit drängten, fand sich hierfür keine Mehrheit. Ebensowenig eine Mehrheit fand sich für Selberts Formulierungsvorschlag zur grundsätzlichen Gleichberechtigung, obwohl die SPD diesen Vorschlag nach anfänglichem Zögern unterstützte. In der ersten Lesung am 03.12.1948 entschied sich der Parlamentarische Rat dafür, nur die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten von Männern und Frauen ins Grundgesetz aufzunehmen. Damit hatte eine Mehrheit der Abgeordneten dem Wunsch nach gesellschaftlicher Gleichstellung der Geschlechter faktisch eine Absage erteilt.

Die Reaktion der Öffentlichkeit auf diese Entscheidung war deutlich heftiger als von den Abgeordneten erwartet. Die Presse schrieb erbittert gegen diese Entscheidung an und Elisabeth Selbert mobilisierte durch Rundreisen die Frauen aller drei Besatzungszonen. Organisierte Frauen aus Vereinen und Gewerkschaften sowie Privatpersonen überschütteten die Abgeordneten mit einer wahren Flut von Eingaben. Unter diesem Druck brach der Widerstand der konservativen Abgeordneten schließlich zusammen und die Formulierung von Elisabeth Selbert wurde ins Grundgesetz aufgenommen.

Die grundgesetzliche Regelung, Männer und Frauen seien gleichberechtigt kollidierte jedoch mit einigen Vorschriften des einfachen Rechts, insbesondere des Familienrechts. So hatte bis dahin der Ehemann in allen Fragen die das Eheleben betrafen ein Letztentscheidungsrecht. Außerdem hatte in Konfliktfällen zwischen den Eltern der Vater ein Stichentscheidungsrecht in allen Fragen der Kindererziehung und konnte die Kinder alleine rechtlich vertreten. Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden wurde daher eine Frist ins Grundgesetz aufgenommen, die dem Gesetzgeber bis zum 31.03.1953 Zeit zur Anpassung ließ. Obwohl die SPD bereits 1949 die ersten Anträge zu Änderung des Familienrechts stellte, ließ die CDU-geführte Bundesregierung die immerhin vierjährige Frist ungenutzt verstreichen. Böse Zungen könnten behaupten, konservative Kreise hätten gehofft, so die Gleichberechtigung doch noch umgehen zu können. Sollte diese Hoffnung tatsächlich bestanden haben, so machte das Bundesverfassungsgericht sie 1953 bereits zunichte, als es nach Ablauf der Frist alle diskriminierenden Regelungen für verfassungswidrig erklärte.

In den folgenden vier Jahren wurde im Bundestag heftig um eine Neuregelung des Familienrechts gerungen. Während die SPD die weitestgehenden Vorschläge einbrachte, versuchten die Unionsparteien so weit wie nur möglich an der Diskriminierung der Frauen festzuhalten. Am 03. und 25.05.1957 wurde schließlich das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Durch dieses Gesetz wurde der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft eingeführt und das ehemännliche Letztentscheidungsrecht abgeschafft. Am väterlichen Stichentscheid und am Alleinvertretungsrecht des Vaters wurde jedoch festgehalten. Diese letzten Bastionen konservativ-männlicher Vorherrschaft erklärte das Verfassungsgericht 1959 für nichtig. Vollen Zugang zur Bundeswehr erhielten Frauen sogar erst durch ein Urteil des EuGH vom 11.01.2000. Bei allen Neuerungen und Fortschritten, die das Bonner Grundgesetz mit sich brachte, kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter von BVerfG und EuGH gegen den Widerstand der Unionsparteien durchgesetzt werden musste.

Wiedervereinigung

Sonntag, August 12th, 2007

Am vergangenen Donnerstag geschah es in Bad A… - von der Weltöffentlichkeit unbemerkt - dass einer Berufschulklasse von ihrer Politiklehrerin die Frage vorgelegt wurde, wann denn die Wiedervereinigung gewesen sei. Als richtige Antwort gab die Lehrerin “1989″ vor! (Hat da jemand geschrien?) Es ist offensichtlich Zeit, sich die grundlegenden Ereignisse der Jahre 1989 und 1990 wieder in Erinnerung zu rufen.

1989 war die Krise des Ostblocks offensichtlich. Michail Gorbatschow reagierte mit vorsichtigen Reformmaßnahmen und zog die russischen Truppen aus Afghanistan ab. Ungarn reagierte als erstes Land auf die Zeichen der Zeit und öffnete schrittweise die Grenze zu Österreich. Am 11. September 1989 erfolgte schließlich die vollständige Öffnung der Grenze. Tausende DDR-Bürger nutzten im Soomer ‘89 die Chance und flohen über Ungarn in die BRD. Bereits im Juni fanden in Polen die ersten demokratischen Wahlen nach dem zweiten Weltkrieg statt.

Währenddessen formierte sich in der DDR der Protest. Im Anschluß an das traditionelle Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche kam es auf dem Kirchenvorplatz zu einer Demonstration, an der etwa 1000 Menschen beteiligt waren. Am 11. und 18. September wurde die Demonstration wiederholt, worauf die Staatsmacht in guter sozialistischer Manier mit Verhaftungen und Gewalt reagierte. Dennoch beteiligten sich an der Demonstration am 25. September bereits ca 8000 Menschen. Am 2. Oktober sah sich die Staatsgewalt bereits 20′000 Demonstranten gegenüber - wieder kam es zu Ausschreitungen. Die Protestbewegung reagierte mit der Einrichtung einer Mahnwache für die politischen Gefangenen der DDR in der Berliner Gethsemane-Kirche.

Mittlerweile flohen die Bürger der DDR nicht nur über Ungarn, sondern zunehmend in die deutsche Botschaft in Prag, die wegen des großen Andrangs am 23. August für den Publikumsverkehr geschlossen wurde. Die Zustände in der Botschaft wurde im Laufe des Septembers unhaltbar, so dass der BRD-Außenminister Genscher mit Unterstützung seines Amtskollegen aus der UdSSR, Schewardnadse, schließlich eine Einigung mit der DDR erreichte. Am 30. September verkündete er den mittlerweile 4000 Flüchtlingen vom Balkon der Botschaft aus die Genehmigung ihrer Ausreise mit den Worten: “Liebe Landsleute, wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß heute Ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland …” Der Rest ging im Jubel der Flüchtlinge unter.

Am 7. Oktober demonstrierte die DDR-Führung zum letzten Mal ihre Unfähigkeit, die Realität wahrzunehmen. Obwohl die DDR bereits seit Jahren nur dank der Devisenzahlungen der BRD überlebte, obwohl sich im geamten Ostblock eine Wende ankündigte und Polen bereits demokratisch gewählt hatte, obwohl die Bürger der DDR zu tausenden flohen und zu zehntausenden gegen ihre Führung demonstrierten, feierte die SED das vierzigjährige Bestehen der DDR mit den üblichen Aufmärschen und Fackelzügen.

Zwei Tage später demonstrieren in Leipzig 70′000 menschen, am 16. Oktober sogar 120′000. Selbst der DDR-Führung wurde jetzt klar, dass ein Politikwechsel angezeigt war. Am 18. Oktober musste Erich Honecker “aus gesundheitlichen Gründen” von seinem Amt als Staatsratsvorsitzender und Generalsekretär der SED zurücktreten. Das dieser Schritt jedoch nicht zu einer Beruhigung beitrug, trat am 8. November das gesamte Politbüro zurück.

Am 9. November beschloss das Zentralkomitte eine Erleichterung der Ausreise aus der DDR, in der Hoffnung, damit die Lage beruhigen zu können. Dieser Beschluss sollte am 10. November verkündet werden und sah keine vollständige Öffnung der Grenze vor. Allerdings verlas Günther Schabowski, Mitglied des ZK und des Politbüros, diesen Beschluss bereits am 9. November auf einer Pressekonferenz. Auf Nachfrage erklärte er, diese Regelung gelte sofort. Daraufhin stürmten DDR-Bürger die Grenzübergänge. Die Mauer war gefallen.

Trotz allem war eine Vereinigung von DDR und BRD weder zwangsläufig, noch einfach. Aufgrund der Sonderrechte der Siegermächte des zweiten Weltkriegs hing eine Einigung von ihrer Zustimmung ab. Im Februar 1990 einigten sie sich auf Verhandlungen mit BRD und DDR: die so genannten Zwei-plus-Vier-Gespräche. Im daraus resultierenden Vertrag erhielt Deutschland am 12. September 1999 die volle Souveränität.

Die ersten und einzigen freien Volkskammerwahlen der DDR-Geschichte am 18. März 1990 hatten ein deutliches Mandat für eine Vereinigung mit der BRD ergeben. Am 18. Mai 1990 schlossen daher die BRD und die DDR eine Zoll-, Wirtschafts- und Sozialunion. Von Juli an liefen die Verhandlungen über die Wiedervereinigung. Noch vor Ende der Verhandlungen beschloss die Volkskammer am 23. August 1990 den Beitritt der DDR-Länder zum Geltungsbereich des Grundgesetzes. Am 31. August wurde in Berlin der Einigungsvertrag unterzeichnet und am 3. Oktober 1990 traten die Länder der DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei.

In den Verhandlungen war es umstritten, ob die BRD und die DDR sich zusammenschließen sollten, oder ob die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten sollte. Ersteres hätte die Verabschiedung einer neuen Verfassung durch eine demokratisch legitimierte verfassungsgebende Versammlung notwendig gemacht. Um Zeit zu sparen wählten die Verantwortlichen jedoch die zweite Option, so dass die DDR aufhörte zu existieren und ihre Länder das bundesdeutsche Grundgesetz annahmen.

Um es abschließend also auch für Politiklehrer nocheinmal zusamenzufassen: Die Wiedervereinigung fand am 3. Oktober 1990 statt.