19.
Aug
07

Vor 50 Jahren: Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet

von Ben

Am 24.05.1957 erteilte der BUndesrat seine Zustimmung zum Gleichberechtigungsgesetz, das der Bundestag am 03.05.1957 verabschiedet hatte. Damit fand eine Diskussion ihr vorläufiges Ende, die fast zehn Jahre zuvor im Parlamentarischen Rat begonnen hatte.

Als 1948 der Parlamentarische Rat zusammentrat, um ein Grundgesetz für das neue Deutschland auszuarbeiten waren unter den 65 Abgeordneten nur vier Frauen. Das erklärt nicht nur die zeitgenössische Rede von den “Vätern des Grundgesetzes”, sondern auch die heftigen Diskussionen, die wegen der Gleichberechtigungsfrage entbrannten.

Grundsätzliche Einigkeit bestand nur insoweit, dass die Gleichberechtigung grundsätzlich und irgendwie in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte. Umstritten war jedoch ihr Inhalt, zu dem es drei ernsthaft dikutierte Alternativen gab. Zum Einen stand der Vorschlag im Raum, die Regelung der Weimarer Republik wieder aufzugreifen, die Männern und Frauen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten zugestanden hatte. Ein weiterer Vorschlag ging auf ein Rechtsgutachten zurück und sah eine Regelung vor, nach der Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln sei. Der dritte Vorschlag schließlich stammte von Elisabeth Selbert und sah die Formulierung vor, die sich heute im Grundgesetz findet: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Nur am Rande sei erwähnt, dass der bayerische Landtag den Vorschlag unterbreitete, die Gleichberechtigung unter einfachen Gesetzesvorbehalt zu stellen. Damit wäre jede legislative Ungleichbehandlung zulässig gewesen.

In den Diskussionen im Hauptausschuss und im Ausschuss für Grundsatzfragen, die beide mit der Gleichberechtigung befasst waren, ging es vor allem um die Frage der Lohngleichheit. Obwohl die Abgeordneten von SPD und KPD auf eine Kodifizierung der geschlechtsunabhängigen Lohngleichheit drängten, fand sich hierfür keine Mehrheit. Ebensowenig eine Mehrheit fand sich für Selberts Formulierungsvorschlag zur grundsätzlichen Gleichberechtigung, obwohl die SPD diesen Vorschlag nach anfänglichem Zögern unterstützte. In der ersten Lesung am 03.12.1948 entschied sich der Parlamentarische Rat dafür, nur die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten von Männern und Frauen ins Grundgesetz aufzunehmen. Damit hatte eine Mehrheit der Abgeordneten dem Wunsch nach gesellschaftlicher Gleichstellung der Geschlechter faktisch eine Absage erteilt.

Die Reaktion der Öffentlichkeit auf diese Entscheidung war deutlich heftiger als von den Abgeordneten erwartet. Die Presse schrieb erbittert gegen diese Entscheidung an und Elisabeth Selbert mobilisierte durch Rundreisen die Frauen aller drei Besatzungszonen. Organisierte Frauen aus Vereinen und Gewerkschaften sowie Privatpersonen überschütteten die Abgeordneten mit einer wahren Flut von Eingaben. Unter diesem Druck brach der Widerstand der konservativen Abgeordneten schließlich zusammen und die Formulierung von Elisabeth Selbert wurde ins Grundgesetz aufgenommen.

Die grundgesetzliche Regelung, Männer und Frauen seien gleichberechtigt kollidierte jedoch mit einigen Vorschriften des einfachen Rechts, insbesondere des Familienrechts. So hatte bis dahin der Ehemann in allen Fragen die das Eheleben betrafen ein Letztentscheidungsrecht. Außerdem hatte in Konfliktfällen zwischen den Eltern der Vater ein Stichentscheidungsrecht in allen Fragen der Kindererziehung und konnte die Kinder alleine rechtlich vertreten. Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden wurde daher eine Frist ins Grundgesetz aufgenommen, die dem Gesetzgeber bis zum 31.03.1953 Zeit zur Anpassung ließ. Obwohl die SPD bereits 1949 die ersten Anträge zu Änderung des Familienrechts stellte, ließ die CDU-geführte Bundesregierung die immerhin vierjährige Frist ungenutzt verstreichen. Böse Zungen könnten behaupten, konservative Kreise hätten gehofft, so die Gleichberechtigung doch noch umgehen zu können. Sollte diese Hoffnung tatsächlich bestanden haben, so machte das Bundesverfassungsgericht sie 1953 bereits zunichte, als es nach Ablauf der Frist alle diskriminierenden Regelungen für verfassungswidrig erklärte.

In den folgenden vier Jahren wurde im Bundestag heftig um eine Neuregelung des Familienrechts gerungen. Während die SPD die weitestgehenden Vorschläge einbrachte, versuchten die Unionsparteien so weit wie nur möglich an der Diskriminierung der Frauen festzuhalten. Am 03. und 25.05.1957 wurde schließlich das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Durch dieses Gesetz wurde der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft eingeführt und das ehemännliche Letztentscheidungsrecht abgeschafft. Am väterlichen Stichentscheid und am Alleinvertretungsrecht des Vaters wurde jedoch festgehalten. Diese letzten Bastionen konservativ-männlicher Vorherrschaft erklärte das Verfassungsgericht 1959 für nichtig. Vollen Zugang zur Bundeswehr erhielten Frauen sogar erst durch ein Urteil des EuGH vom 11.01.2000. Bei allen Neuerungen und Fortschritten, die das Bonner Grundgesetz mit sich brachte, kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter von BVerfG und EuGH gegen den Widerstand der Unionsparteien durchgesetzt werden musste.

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