27.
Nov
09

Namedropping und Diskussionskultur

von Ben

Mit zwei Geisteswissenschaftlern diskutiert und keine Argumente, dafür aber viele Namen gehört. Nun, ganz so schlimm war es nicht, aber mir ist wieder diese Unart des namedropping aufgefallen – eine Unart, die ich vornehmlich bei Geisteswissenschaftlern, weniger aber bei Gesellschafts- oder Naturwissenschaftlern beobachte. (Als Gessellschaftswissenschaften seien hier alle Disziplinen verstanden, deren Schwerpunkt auf menschlicher Interaktion liegt wie zB bei den Historikern, den Soziologen oder vielleicht sogar den praktischen Philosophen, während Geisteswissenschaften diejenigen sind, deren Objekt das Kulturgut als solches ist, also z. B. Sprach- oder Literaturwissenschaftler.)

Man kann meiner Erfahrung nach vier Arten des namedropping unterscheiden, die zwei verschiedenen Formen der Diskussion zuzuordnen sind. Letztere seien die Expertendiskussion, also eine Diskussion zwischen Personen, die sich mit dem gegenstand einigermaßen intensiv auseinandergesetzt haben und die Laiendiskussion, bei der nur einer der Beteiligten ein Experte ist oder – noch häufiger – sich zumindest dafür hält.

In der Expertendiskussion dient das namedropping entweder der Abkürzung der Argumentation oder der Verwertung fremder Erkenntnisse. Der Nenner eines namens kann erwarten, dass die anderen beteiligten die Autoritäten ihres Fachs kennen und sich daher durch kurze Hinweise auf deren (bekannte) Argumentation oder Erkenntnisse berufen, ohne sie lang(atmig) wiedergeben zu müssen. Dennoch wissen alle Beteiligten, worum es geht. (Um zwei Beispiele zu nennen: Historiker wissen was Sache ist, wenn jemand auf Goldhagens Kollektivschuldtheorie oder Wehlers Einschätzung der Bedeutung der DDR für die deutsche Geschichte hinweist.)

Ganz andere Zwecke erfüllt das namedropping demgegenüber in der Laiendiskussion. Hier geht es dem hingebungsvollen Namedropper immer um die Eroberung der Diskursmacht. Einerseits wird wie in der Expertendiskussion auch, das namedropping zum Ersatz für Argumentation. Während aber in der Expertendiskussion der Zweck lediglich in der Zeitersparnis besteht, wird in der Laiendiskussion zum vollwertigen Ersatz jeder Argumentation durch die erstens der Namedropper sich erspart eigene Argumente vorbringen zu müssen (was er mangels Verständnis vielleicht gar nicht kann) und zweitens wird mit dem Hinweis auf Autoritäten versucht, jede Widerrede von vornherein auszuschließen – wer könnte denn auch widersprechen, wenn doch Foucault, Winckler, Luhmann, Schleiermacher, oder meinetwegen auch Hinz und Kunz in ihrer bahnbrechenden Studie zur Beliebigkeit fallender Namen schon der gleichen Meinung waren? Der zweite Zweck – ich gebe zu eng verwandt mit dem ersten – besteht in der Simulation von Expertise. Das gezielte Einwerfen mehr oder weniger bedeutender Namen soll bei den anderen Beteiligten den Eindruck überlegener Kompetenz ob der Kenntnis der maßgeblichen Autoritäten wecken und mögliche zweifel an der Kompetenz des Namedroppers augenblicklich zerstreuen. In beiden Fällen allerdings geht es darum, die Hoheit über die Diskussion zu erlangen (und damit eine Diskussion möglichst nicht zuzulassen).

Warum mir dieses verhalten vornehmlich bei Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund auffällt, weiss ich nicht. Vielleicht sind sich Gesellschaftswissenschaftler in höherem Maße der Relativität persönlicher überzeugungen und gesellschaftswissenschaftlicher Theorien bewusst, während Naturwissenschaftler derart von der Objektivität Ihrer Erkenntnisse beseelt sind, dass der Erkennende in der Wahrnehmung immer hinter die Erkenntnis zurücktritt. Bei Geisteswissenschaftlern dagegen scheint allzu häufig das Gegenteil der Fall zu sein.

One Response to “Namedropping und Diskussionskultur”

  1. Ti_LEo Says:

    Hehe. Wichtiges Thema sprichst du da an. Konnte auch immer wieder beobachten, wie durch Namedropping einzelne Teilnehmer aus einer Diskussion ausgeschlossen werden, bis sich irgendwann 2 Menschen nur noch Namen hin und her werfen.

    Ob es da jetzt Unterschiede zw. Geistes- und Gesellschaftswissenschaften gibt, weiß ich nicht. Als jemand der ein paar Semester Germanistik (Geist) und Soziologie (Gesellschaft) studiert hat, bin ich dafür aber wohl auch nicht der richtige Ansprechpartner. Wobei ich andererseits auch prädestiniert sein könnte. Ist mir jedenfalls bisher noch nicht aufgefallen, dass es da gravierende Unterschiede gibt. Meiner Wahrnehmung nach neigen eher beide Richtungen dazu, oft in bester Absicht (wie du sagst: Argumentation verkürzen).

    Deine Ursachen erscheinen mir durchaus plausibel. Vorspiegelung von Wissen, welches man im Detail gar nicht hat (Luhmann und die Systemtheorie sind hier echt gute Beispiele, denn wer hat die Systemtheorie schon wirklich verstanden? Jedenfalls redet so mancher gern darüber, ohne Autopoesis oder ähnlich zentrale Begriffe jemals gehört zu haben.) Manchmal ist das Wissen vorhanden und es geht um Egostreichelei. Man drängt andere aus einer Diskussion, indem man so tut, als hätte man unverhältnismäßig viel mehr Wissen.

    Spannendes, durchaus ergiebiges Thema.

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