8.
Aug
10

Die Anderen im Antikriegsfilm

von Ben

In “Culture and Imperialism” untersucht Edward Said “Heart of Darkness” von Joseph Conrad auf seine imperialistischen Elemente, also auf die Darstellung der kolonisierten Völker und das sich darin zeigende Verhältnis Conrads zum Imperialismus. Bedenkt man nun, dass der Film “Apocalypse now” auf Conrads Roman beruht, drängt sich die Frage auf, ob die von Said identifizierten imperialistischen Elemente im Film übernommen wurden. Will man den Bogen größer spannen, kommt man zur Frage, wie grundsätzlich die Anderen im Antikriegsfilm dargestellt werden.

Um das Verständnis zu erleichtern, sei vorangestellt, dass ich unter einem Antikriegsfilm einen Film verstehe, dessen Handlung innerhalb eines Krieges spielt und der zu diesem Krieg eine kritische Haltung einnimmt, ein friedfertige Stimmung beim Zuschauer hervorrufen will. Mit diesem Verständnis liegen folgende Filme meinen Überlegungen zugrunde: Apocalypse now (1979), Platoon (1985), Full Metal Jacket (1986), Stalingrad (1993), Jarhead (2005) und The Hurt Locker (2008).

Alle diese Filme schildern Krieg aus Sicht des Westens, sei es aus deutscher (Stalingrad), sei es aus us-amerikanischer Sicht (alle anderen). Die Anderen sind hier Vietnamesen und Kambodschaner, Russen und Iraker. Ihre Auftritte haben sie als gesichtslose Kriegsgegner und primitive Eingeborene (Apocalypse now), Vergewaltigungsopfer (Platoon), Prostituierte oder Feind (Full Metal Jacket), feindlicher Kombattant (Stalingrad), Leiche (Jarhead) oder als Terroropfer beziehungsweise Zivilist (The Hurt Locker).

Was die Anderen in allen Filmen gemeinsam haben, ist ihre Gesichtslosigkeit. Sie werden nicht individualisiert sondern haben ihre Auftritte als reine Funktionsträger. Ihre Aufgabe ist es nicht, persönliches Leid zu zeigen, sondern sie sind lediglich Mittel zum Zweck des Transports einer Botschaft: weder erfährt der Zuschauer, warum die Heckenschützin in Full Metal Jacket sich entscheidet, gegen die Amerikaner zu kämpfen, noch wird in Stalingrad das Verhältnis der Rotarmisten zum Krieg thematisiert. Ihre Auftritte dienen lediglich dazu, zu zeigen wie verletzlich die Protagonisten sind, wie sinnlos der Krieg ist. Die Anderen dienen als Statisten für Momente des Heldentums und der Tragik, sie selbst bleiben aber Episode, ja, ihr Auftauchen hat fast etwas Anekdotisches. Was die Filme zu Antikriegsfilmen macht, die Darstellung von Grausamkeit und Sinnlosigkeit erfolgt immer aus Sicht der eigenen Seite, immer aus Sicht des Westens. Die Botschaft dieser Filme ist mitnichten, dass Krieg als inhuman abzulehnen ist. Die Botschaft dieser Filme ist: Wir wollen keinen Krieg, weil unsere Jungs darunter leiden. Die Botschaft ist westlich zentriert, und hier enthüllt sich statt Humanismus Isolationismus.

Eine Sonderstellung nimmt noch The Hurt Locker ein. Die Darstellung der Iraker erscheint überzeichnet: sie sind laut, gedankenlos, weinerlich. Entweder sie legen Bomben um sich gegenseitig zu ermorden, oder sie lamentieren stundenlang in den falschen Situationen herum, diskutieren mit Soldaten, die gerade anderes zu tun haben und stehen den Profis im Weg, die die Suppe auslöffeln müssen, die die Iraker sich selbst eingebrockt haben. Hier finden wir den Said’schen Orientalismus mit umgekehrter Intention. Die klischeehafte Darstellung der Iraker dient nicht wie zu Conrads Zeiten der Begründung für Eroberung und Beherrschung (nach dem Motto: “Diese Primitiven können sich nicht selbst regieren, deshalb müssen wir das für sie tun”) sondern der Delegitimierung des militärischen Engagements. Es scheint fast, als wollte der Film sagen: “Seht wie der Krieg unsere Jungs zurichtet. Und wofür? Für diese halbwilden Kameltreiber?”

Ich will keinem der Regisseure oder Drehbuchautoren unterstellen, er hätte bewusst die Anderen marginalisieren wollen – nichtsdestotrotz ist die Traditionslinie eurozentristischer, abwertender Darstellung unübersehbar.

3 Responses to “Die Anderen im Antikriegsfilm”

  1. Christian Says:

    Die Botschaft von Hurt locker scheint mir allerdings weniger kritisch gegenüber den Krieg zu sein, weil die Hauptperson ja eigentlich merkt, dass ihr Leben ohne den Adrenalinkick des Bombenentschärfens langweilig ist. Der Krieg und seine Arbeit sind sinnlos, weil man keine Fortschritte erzielen kann, aber als Plattform um sich selbst zu beweisen bleibt es eine wünschenswerte Umgebung.

  2. Ben Says:

    Hmm… ich habe Hurt Locker schon so verstanden, dass dadurch, dass die Probleme, die viele Soldaten mit der Wiedereingliederung ins zivile Leben haben, der Krieg als solcher kritisiert wird. Für eine westliche Gesellschaft ist es schließlich nicht gerade erstrebenswert einen großen Teil einer ganzen Generation für das zivile Leben zu verderben.

  3. Christian Says:

    Er ist ja eigentlich schon vorher so, beim ersten Einsatz sieht man, dass er für den Kick lebt. Klar, kann auch daran liegen, dass er zu lange schon Soldat ist. Ich habe es eher so verstanden, dass da zwei zusammengefunden haben, er und das Militär. Und obwohl er sieht, dass es sinnlos ist und der Krieg nicht zu gewinnen ist sieht er auch ein, dass er den Krieg braucht. Als er am Ende mit seinem Anzug los geht ist er wieder da, wo er auch am Anfang des Filmes war - und glücklich darüber.

Leave a Reply