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Historisches Frankfurt: Gutleutkaserne

Montag, August 2nd, 2010

Frankfurt hat erstaunlicherweise nicht nur Banken, sondern auch Historisches zu bieten. Da sind natürlich der Römer, der Dom und – Hort des deutschen Demokratiestrebens und Mahnmal des gescheiterten Professorenparlaments zugleich – die Paulskirche. Außerhalb von Frankfurt weniger bekannt, dafür für mich ein täglicher Anblick, ist die Gutleutkaserne.

Ehemals auf freiem Feld gebaut befindet sich die 1877 – 1879 erbaute Gutleutkaserne in unmittelbarer Nähe zu Hauptbahnhof und damit mitten in der Innenstadt. Verglichen mit heutigen Kasernen ist die helle Backsteinfassade mit ihren schmalen Rundbogenfenstern und ihren Simsen schon fast prächtig zu nennen. Das ehemalige Hauptportal wird von zwei quadratischen Türmen flankiert, die das übrige Gebäude um ein Geschoss überragen.

Nach ihrem Bau war die Gutleutkaserne Heimat des 1866 in Mainz aufgestellten 1. Kurhessischen Infanterie-Regiments Nr. 81, eines Infanterieverbandes der preußischen Armee, der in der Tradition des 1. Kurhessischen Infanterie-Regiments “Kurfürst” stand. Die Uniform bestand wie bei allen preußischen Linienregimentern aus einem dunkelblauen Waffenrock mit rotem Kragen und schwarzen Hosen. Das Regiment Nr. 81 trug dazu hellblaue Achselklappen und gelbe Ärmelpattenvorstöße. Im Deutsch-Französischen-Krieg nahm das Regiment an der Schlacht von St. Quentin teil und wurde im Ersten Weltkrieg in der Marneschlacht, an der Somme und vor Verdun eingesetzt.

Die 1945 von der US Army in Anspruch genommene und 1977 geräumte Gutleutkaserne wurde zwischen 1989 und 1994 umgebaut. Heute beherbergt sie als “Behördenzentrum” unter anderem für Frankfurt zuständige Finanzämter, das Arbeitsgericht Frankfurt und das hessische Landesarbeitsgericht. Einzige Reminiszenz an die militärische Vergangenheit dessen einstige Bewohner nicht nur im Feld, sondern zum Beispiel auch zur Niederschlagung des Frankfurter Bierkrawalls eingesetzt wurden, ist das Frankfurter Polizeipräsidium, dessen Gelände direkt an die Gutleutkaserne angrenzt.

Tierische Namensgebung

Sonntag, Juni 20th, 2010

Betritt man in Ladenburg den Jesuitenhof findet sich links neben dem Tor ein Gedenk- oder Grabstein. Er zeigt ein Wappen, die Jahreszahl 1630 und zwei Namen: Georg Heinrich Gans von Otzburg und Anna Maria Gensin von Otzburg. Gans von Otzburg? Wie in “großer weißer Vogel”? Ja. Nach der ersten Überraschung beginnt die Recherche. Eine erste Erklärung, die dem modernen, an die vollmundigen Namen von Rassetieren gewöhnten Geist sich geradezu aufdrängt erweist sich als falsch: Georg Heinrich und Anna Maria waren (natürlich) keine Ladenburger Preisgänse. Bleibt aber weiterhin die Frage, wie ein Adliger an den Namen “Gans” kommt. Johann Wilhelm Christian Steiner gibt eine interessante Erklärung: Die Benennung “von Otzburg” sei nicht zwangsläufig dem Besitz dieser Burg geschuldet, vielmehr könne es sich ebenso um Burgmannen, also um die adelige Besatzung der Otzburg, gehandelt haben. Den Namenszusatz “Gans” wiederum verdanke die Familie der Tatsache, dass sie einen Gänsestall besessen habe. Nicht besonders heroisch zwar, aber nichtsdestotrotz eine reizvolle und sehr wahrscheinliche Erklärung.

Preußische Namensgebung

Samstag, Juni 19th, 2010

Ich habe heute eine ganz witzige Geschichte über die Namensfindung der Dortmunder Preußen (im Sportjournalismus gerne auch Borussen genannt) gehört. Angeblich ist die Namensgebung kein Zeichen patriotischer Verpflichtung, der Hingabe an das preußische Vaterland (Dortmund lag seit 1815 in Preußen) oder auch nur nationaler Begeisterung. Angeblich verdankt der Verein seinen Namen der Tatsache, dass bei der offiziellen Gründung des Vereins 1909 im Gasthof Wildschütz Bier getrunken wurde: Borussia-Bier. Und da es im Vorfeld keine Namensvorschläge gab (und den Fußballern der Bierkonsum von jeher nahe lag?) griff man zum Nächstliegendsten – dem Bier.

Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber wenn nicht, ist es zumindest eine gute Geschichte.

Abschied von der Macht

Freitag, Mai 28th, 2010

Manchmal, sehr selten nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Geschichte, passiert es, dass ein Mann (aufgrund der geringeren weiblichen Präsenz in der Öffentlichkeit eher selten eine Frau) auf dem Höhepunkt ihres persönlichen Erfolgsstrebens dem Gegenstand dieses Strebens den Rücken kehrt, sich saturiert in ein anderes Leben zurückzieht.

Einer, der das getan hat, ist Lucius Cornelius Sulla Felix. Geboren um 138 v. Chr. beschritt Sulla den cursus honorum, wurde im Jahr 107 v. Chr. Quästor und 97 v. Chr. Prätor. Das Konsulat, das höchste republikrömische Staatsamt erwarb Sulla schließlich 88 v. Chr. nach seinen Siegen im Bundesgenossenkrieg. Nach Siegen über Mithridates und im Bürgerkrieg gegen die Popularen erreichte er seine Ernennung zum dictator auf unbegrenzte Zeit, obwohl das römische Staatsrecht bis zu diesem Zeitpunkt die dictatur nur für eine Höchstdauer von sechs Monaten vorsah. Gestützt auf seine diktatorische Macht lies Sulla bis 81 v. Chr. die Proskriptionen durchführen, d. h. die listenmäßige Publikation der Namen politischer Gegner, die dadurch rechtlos gestellt wurden und deren Tötung belohnt wurde. über 4000 Römer fielen der Verfolgung zum Opfer. Darüber hinaus reformierte er das römische Staatsrecht und stärkte die Stellung des Senats. Nach der Ermordung seiner Gegner, der Sicherung seiner Stellung und der Stärkung des Senats gegen Ritterstand und Volksversammlung befand sich Sulla auf dem Höhepunkt seiner Macht – und trat 79 v. Chr. von der Diktatur zurück. Anders als Cäsar, der gewaltsam von der Staatsgewalt getrennt werden musste, verzichtet Sulla auf seine Macht und verbrachte die Zeit bis zu seinem Tod 78 v. Chr. auf seinem Landsitz außerhalb Roms.

Ein anderes der wahrlich seltenen Beispiele ist Coelestin V. Um 1209 als Pietro del Murrone geboren lebte Coelestin seit seinem zwölften Lebensjahr als Benediktiner und später als Anachoret. Er gründete eine eigene Kongregation innerhalb des Benediktinerordens, der es um eine strengere Anwendung der Ordensregel getan war. 1276 und 1287 wurde er Abt zweier Klöster, zog sich aber 1293 wieder in die Einsiedelei zurück. 1294 wurde er nach zweijähriger Sedisvakanz überraschend zum Papst gewählt, nachdem er die Kardinäle in einem Brief aufgefordert hatte, endlich einen neuen Papst zu wählen. Ausgestattet mit dem höchsten Amt, das die katholische Kirche zu vergeben hat und als zumindest spirituelles Haupt eines “eigenen” Ordens – trat Coelestin nach nur fünf Monaten im Amt zurück. Bis heute ist er der einzige Papst, der sein Amt nicht durch Tod verloren hat.

Und in diese Tradition weitsichtiger Männer, die sich nicht Unbeliebtheit und Überforderung zum Trotz verzweifelt an ihre Macht geklammert haben, stellt sich ausgerechnet – Roland Koch. Der Mann, der mit ausländerfeindlichen Wahlkämpfen auf sich aufmerksam gemacht hat zeigt Größe. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, als hessischer Ministerpräsident innerparteilich unumstritten und außerparteilich nicht ernsthaft herausgefordert, als Gesicht der konservativen CDU ein respektiertes Gegengewicht zur Merkelschen Beliebigkeit, zieht er sich ungeschlagen aus der Politik zurück. Nun beweist das Beispiel Sullas, dass man kein netter Mensch sein muss, um Größe zu zeigen, aber das hat er auf jeden Fall getan – Größe gezeigt.

Tannenbergmythos

Sonntag, Mai 23rd, 2010

Tannenberg! Ein Wort schmerzlicher Erinnerung für deutsche Ordensmacht, ein Jubelruf slawischen Triumphes, gedächtnisfrisch geblieben in der Geschichte trotz mehr als 500jähriger Vergangenheit.

Mit diesen Worten beschreibt Hindenburg in seinen Lebenserinnerungen das Schlachtfeld von Tannenberg und fährt fort: “Ich hatte bis zu diesem Tage das Schicksalsfeld deutscher östlicher Kultureroberung noch nie betreten. Ein einfaches Denkmal zeugte dort von Heldenringen und Heldentod.”

Tannenberg! Ein Ort, ein Schlachtfeld, das in Deutschland einst in einem Atemzug genannt wurde mit Langemarck. Der Ort, an dem Slawentum über Deutschtum siegte und an dem das Reich mehr als 500 Jahre später diese Scharte auswetzte. Und doch scheint der Begriff “Tannenberg” in Deutschland heute keine Bedeutung mehr zu haben.

Im Jahre 1410 standen sich bei Tannenberg die Heere des Deutschen Ordens und des polnischen Königs gegenüber. Anlass des Krieges waren Streitigkeiten um Land, die sich im Fall von Pomerellen bereits seit 1309 hinzogen. Am 15. Juli standen sich nun die verfeindeten Heere gegenüber. Das Treffen endete mit einer katastrophalen Niederlage des Deutschen Ordens und dem Tod des amtierenden Hochmeisters Ulrich von Jungingen. Die Niederlage beendete die expansiven Ambitionen des Ordens und führte in der Folge (auch bedingt durch den Mangel an Heiden in der Umgebung, gegen die man hätte Kreuzzüge führen können) zu einem erheblichen Ansehensverlust des Ordens.

Mehr als 500 Jahre später, zu Beginn des Ersten Weltkrieges, standen sich – wieder in Ostpreussen – preussische und russische Soldaten gegenüber. Ihr Treffen endete mit einer deutlichen Niederlage der russischen Truppen. Diese Schlacht fand statt bei Allenstein, Neidenburg und Hohenstein – auf persönlichen Wunsch des kommandierenden Generals Pauls von Hindenburg ging die Schlacht jedoch als Schlacht von Tannenberg in die Geschichtsbücher ein – und auch das teilt sie mit der Schlacht von Langemarck, die es geographisch betrachtet auch nicht gegeben hat.

Bereits 1901 wurde auf dem Schlachtfeld ein Gedenkstein für den gefallenen Hochmeister errichtet. Er trug die Inschrift “Im Kampf für deutsches Wesen, deutsches Recht starb hier der Hochmeister Ulrich von Jungingen am 15. Juli 1410 den Heldentod.” 1935 wurde die Mythologisierung ergänzt durch das Tannenbergdenkmal, in dem Hindenburg beigesetzt wurde. Das Denkmal wurde 1945 durch die Wehrmacht teilweise gesprengt. Die politische Instrumentalisierung des Leidens und Sterbens fand hier ihren Höhepunkt. Tannenberg war nicht einfach ein Ort von untergeordneter militärhistorischer Bedeutung, Tannenberg war ein Begriff für den späten Triumph des Germanentums und die Rettung Deutschlands vor der slawischen Gefahr. Es ist kein Wunder, dass gerade Tannenberg (als Sieg über die Slawen) und Langemarck (als Opfergang der Jugend) derartige Bedeutung gewannen. Auf polnischer Seite wurde die erste Schlacht bei Tannenberg als Schlacht bei Grunwald zur Chiffre für die erfolgreiche Gegenwehr gegen imperiale Gelüste der Nachbarn Polens (wahlweise Deutschland oder Russland).

Warum aber spielt Tannenberg im Gegensatz zu Langemarck im bundesrepublikanischen Mythenschatz keine Rolle mehr? Vielleicht, weil die Instrumentalisierung als Sieg über die Slawen schlicht nicht mehr opportun ist. Wahrscheinlich aber eher deshalb, weil in der Nachkriegszeit der deutsche Kulturimperialismus eingebettet wurde in einen Gesamteuropäischen Kulturimperialismus. Der “Opfergang der deutsche Jugend” ist vor diesem Hintergrund unproblematisch aber eine Feier des Germanentums ausgeschlossen. Und so gibt es Mythen, die die Zeiten überdauern und andere, die in der Versenkung der Geschichte verschwinden.