16.
Mai
10

Opfer- oder Grundsatzdiskussion?

von Ben

München, Ökumenischer Kirchentag, Podiumsdiskussion “Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt”: Nachdem der Leiter des Canisius-Kollegs, Klaus Mertes SJ, und der Psychologe und Theologe Wunibald Müller unter dem Applaus des Publikums einen anderen Umgang der katholischen Kirche mit Sexualität gefordert haben ruft der Bischof von Trier, Stephan Ackermann, dazu auf, bei allen Debatten über Ausrichtung und Organisation der Kirche doch die Opfer nicht aus dem Blick zu verlieren - und wird prompt vom Publikum ausgebuht. “What the fuck?” denkt sich da der unbedarfte Zuhörer. Zuerst bemängelt alle Welt, dass sich die Kirche nicht genug um die Opfer kümmert und wenn dann ein Würdenträger der Kirche dazu aufruft, sich um die Opfer zu kümmern ist es wieder nicht recht.

Natürlich kann man Ackermann jetzt vorwerfen, er wolle mit dem Hinweis auf die Opfer nur von dringend notwendigen Strukturdebatten ablenken und ernsthafte innerkirchliche Konsequenzen verhindern. Andererseits ließe sich den anderen Herren mit dem gleichen Recht vorwerfen, sie versuchten den Mißbrauchsskandal zu instrumentalisieren, um Kirchenpolitik zu betreiben. Beide Vorwürfe scheinen mir ungerechtfertigt: weder kann einem Bischof, der angesichts des Ausmaßes des Skandals verunsichert ist und sich den Opfern widmen möchte aus dieser Absicht ein Strick gedreht werden, noch ist es angezeigt, Theologen, die längst überfällige Reformdebatten anstoßen wollen, niedere Beweggründe zu unterstellen. Das allerdings vor allem deshalb, weil alle Beteiligten in erster Linie Seelsorger sind - wären sie Politiker, wäre meine Einschätzung eine andere.

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